„Prüft alles und behaltet das Gute!“
Die neue Jahreslosung ist ein Vers aus dem ältesten erhaltenen Brief des Apostels
Paulus, dem 1. Brief an die Gemeinde in Thessalonich. Hier gab es alles: die einen beteten die antiken Götter an, die anderen hielten sich an andere Religionen, Kulte oder philosophische Strömungen, die vor allem aus dem Osten des Reiches herüberschwappten. Eine bunt gemischte Gesellschaft mit Menschen aus aller Herren
Länder – eigentlich ging es da also gar nicht so anders zu als bei uns heute, zweitausend Jahre später. Die frisch-gebackenen Christinnen und Christen in der neugegründeten Gemeinde fragten sich: Wie soll man mit dieser Vielfalt umgehen? Ist es besser, sich als christliche Gemeinde abzuschotten, oder können wir einen guten Umgang miteinander finden?
Paulus klingt in seinem Brief fast ein wenig besorgt, dass die jungen Christen sich nicht behaupten und unter die Räder kommen könnten. Offenbar mussten sie mit Anfeindungen aus dem nichtchristlichen Umfeld zurechtkommen. Umso mehr versucht Paulus, seine Leute zu bestärken. Und er ermuntert sie, sich nicht zu verkriechen, sondern offen zu bleiben und den verschiedenen Angeboten aufgeschlossen gegenüberzutreten – weil nichts von vornherein schlecht ist. Nicht blauäugig oder naiv, sondern selbstbewusst und mit einem gründlichen, kritischen Blick: “Prüft alles und behaltet das Gute.”
Ehrlicherweise muss man sagen: Das klingt ganz schön anstrengend! Ja, Paulus mutet den Menschen in Thessalonich einiges zu – und uns auch. Sollen wir wirklich alles prüfen? Wie soll das gehen?
Die gute Nachricht ist: Wir haben das Zeug dazu! Das wichtigste Prüfwerkzeug haben wir von Gott bekommen: unseren Verstand. Den sollen wir nutzen und kritisch einsetzen. Das ist eine große Aufgabe, aber auch ein großer Vertrauensbeweis: Gott traut uns das zu.
Bleibt die Frage nach dem Prüfmaßstab. Was ist gut? Woran lohnt es sich festzuhalten – und was fällt bei der Prüfung durch? Auch dafür haben wir eigentlich alles, was wir brauchen: Alles muss sich an der guten Nachricht von Gottes Liebe messen lassen. Aufgeschlossenheit statt Ausgrenzung,
Gerechtigkeit statt Egoismus, Nächstenliebe statt Hass: Das soll uns bei der Prüfung leiten. Was Gottes Wille für diese Welt ist, das ist gut – und das wird die Prüfung bestehen. Und wir als mündige Christinnen und Christen haben das Zeug dazu, das zu beurteilen.
Die Worte von Paulus sind fast zweitausend Jahre alt, aber brandaktuell – auch mit Blick auf die politische Verantwortung, die wir als Christinnen und Christen haben. In einer Zeit, in der mit plumpen Parolen Wahlen gewonnen werden, finde ich es elementar, dass wir unseren Verstand einsetzen. Dass wir nicht leichtgläubig und unreflektiert
alles hinnehmen und den Mund halten, weil es so bequem ist, sondern kritisch nachfragen und die vermeintlich einfachen Antworten akribisch überprüfen, mit Gottes guter Nachricht im Hinterkopf. Das mag anstrengend sein und manchmal lästig (vor allem für die, deren Parolen auf den Prüfstand kommen), aber es kann uns davor bewahren, unter die Räder zu kommen. “Prüft alles und behaltet das Gute” - was für ein wertvoller Grundsatz für das neue Jahr!